PricingVertrieb

Best Practice Teil 3: Einführung eines leistungsorientierten und Multi-Channel-fähigen Konditionensystems

Tool-Master ist ein mittelständischer Hersteller von Elektrowerkzeugen, der seine Produkte traditionell über den Fachhandel verkauft, aber in den letzten Jahren opportunistisch auch in den Online-Markt eingestiegen ist. Durch die damit einhergehende Preiserosion stand das Unternehmen in seinem Heimatmarkt massiv unter Druck.

Ausgangssituation beim Elektrowerkzeug-Hersteller Tool-Master

  • Starkes Wachstum im Online-Kanal: Rasante Entwicklung der Marktplätze, Online-Shops und -portale, wie Amazon, ManoMano und Contorion
  • Große Bedeutung des stationären Handels in der Customer Journey, trotz starkem Umsatzrückgang
  • Fehlende globale Preisstrategie: Große internationale Preisunterschiede (bis zu 40 Prozent)
  • Historisch gewachsene Rabatte und Konditionen: Große Unterschiede in den Einkaufspreisen zwischen den Händlern
  • Kein leistungsgerechtes und Multi-Channel-fähiges Konditionensystem: Fehlende Kanalsteuerung und Kannibalisierung der Vertriebskanäle

Vor diesem Hintergrund wurde Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants beauftragt, eine internationale Preis- und Vertriebskanalstrategie zu entwickeln. Zur Umsetzung wurde ein leistungsorientiertes Konditionensystem eingeführt, das je Land und Vertriebskanal differenziert wurde. Juristisch abgesichert wurde das neue System durch die Überarbeitung der Händler- und Distributorenverträge, die die Novellierung der Vertikal-GVO ausschöpft.

In Teil 1 und Teil 2 der Beitragsreihe wurden die Analysephase, sowie die Entwicklung und Umsetzung der internationalen Preis- und Vertriebskanalstrategie beschrieben. In diesem Teil geben wir einen Überblick zu der Entwicklung des Multi-Channel-fähigen Konditionensystems.

Bestandsaufnahme der bestehenden Konditionenlogik

Die Preise, Konditionen und Händlerverträge sind bei Tool-Master historisch gewachsen und folgten weder einer übergreifenden internationalen Preis- noch einer differenzierten Vertriebskanalstrategie. Dies führte dazu, dass auf internationaler Ebene Preisunterschiede von bis zu 40 Prozent akzeptiert wurden und die potenzielle Gefahr von Reimporten nicht angemessen berücksichtigt wurde. Unabhängig davon, ob es sich um „Online-Pure-Player“, hybride oder stationäre Händler handelte, wurden alle über dasselbe Konditionensystem gesteuert. Dies ermöglichte es Online-Händlern aus Niedrigpreisländern, die Produkte in hochpreisige Märkte zurückzuführen.

Bei der Entwicklung des neuen Preis- und Konditionensystems wurden daher die Kernelemente sorgfältig auf die spezifischen Anforderungen jedes Vertriebskanals abgestimmt und historisch gewachsene Konditionen entsprechend angepasst, um die erheblichen Unterschiede in den Einkaufspreisen zwischen den verschiedenen Händlern auszugleichen.

Das Konditionenmanagement bildet einen entscheidenden Stellhebel zur Ertragssteigerung. Trotzdem wird in der Praxis häufig die tatsächliche Ausgestaltung vernachlässigt und historisch gewachsene Konditionen in Kauf genommen. Das zentrale Ziel von erfolgreichem Preismanagement sowie eines systematischen Konditionensystem ist die Durchsetzung von kundenindividuellen Einkaufspreisen, basierend auf einem klaren Leistungs-Gegenleistungsprinzip. Rabatte werden nicht vergeben, weil der Einkäufer hart verhandelt, sondern weil der Kunde bestimmte Gegenleistungen erbringt. In jedem Fall ist es von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass unstrukturierte Konditionengestaltung nicht dazu führt, dass die Preise untergraben werden.

Analyse des aktuellen Pricing-Vorgehens

Ausgangspunkt für die Betrachtung des aktuellen Konditionensystem ist die Analyse des aktuellen Pricing-Vorgehens auf Basis der Transaktionsdaten. Auf Basis dessen, ermöglicht die Rabattwolke den Blick aus der Vogelperspektive auf das Pricing im Unternehmen. Diese visualisiert die durchschnittlichen Rabatte auf Kundenebene.

Abb. 1: Rabattwolke – Ist-Situation und idealer Rabattverlauf von Tool-Master (exemplarisch)

Die Analyse der Rabatte unterliegt der Annahme, dass der durchschnittlich gewährte Rabatt mit Umsatzbedeutung des Kunden steigen würde. Die Rabatthöhe sollte nicht ausschließlich von der Umsatzhöhe abhängen. Das Konditionensystem sollte weitere Kriterien beinhalten. Bei Tool-Master zeigte sich jedoch kein klarer Zusammenhang von Rabatt und Gesamtumsatz: Kleine Kunden erhielten teilweise ähnliche Rabatte wie Key Accounts. Dies kann zu massiven Problemen in der Kundenbeziehung mit den Großkunden sowie zu niedrigen Deckungsbeiträgen mit kleineren Kunden führen.

Um die Rabattvergabe zu systematisieren und Kanalkonflikte zu lösen, wurde das bestehende Konditionensystem von Tool-Master sowie die Händlerklassifizierung überarbeitet. Es gilt sowohl die Leistungen des stationären Handels mittels preislicher Gegenleistung zu fördern, die Kanäle zu steuern und eine internationale Konditionen-Konsistenz herzustellen, sodass Re-Importe unattraktiv werden.

Händler-Klassifizierung

Zur Händler-spezifischen Konditionengestaltung wurde eine Systematik zur Klassifizierung der Händler entwickelt. Tool-Master-Kunden wurden anhand von fünf definierten Kriterien in unterschiedliche Händlerklassen eingestuft. Diese Kriterien spiegeln die Dinge wider, die Tool-Master von Ihren Partnern erwartet und fördern möchte. Bei den Tool-Master-Elektrowerkzeugen handelt es sich um beratungsintensive Produkte, daher wird beispielsweise der stationäre wie auch der Online-Handel, der geschulte Vertriebsmitarbeiter oder Online-Beratung aufweisen kann, preislich bessergestellt als andere. Wichtige Vertriebspartner sollten für Ihre Leistungen belohnt werden – gleichzeitig gilt es für Sie zu beachten, dass kein Kanal gezielt diskriminiert werden darf. Als Resultat wurden die gesamten Tool-Master-Händler in Premium- und Nicht-Premium-Kunden eingeteilt.

Darüber hinaus galt es die hohen Preisunterschiede der Tool-Master-Produkte über die Länder hinweg zu eliminieren. Hierzu wurden Länder in Preisregionen zusammengefasst und die Länderpreise in regionale Preiskorridore überführt. Pro Vertriebskanal wurden klare Ziele (Umsatz, Deckungsbeitrag etc.) formuliert und diese in entsprechende KPIs übersetzt. Diese Ziele sind meist konkurrierend und bilden die Grundlage zur Ableitung eines vertriebskanalübergreifenden Preis- und Konditionensystems.

Die Ausarbeitung der Premium- und Nicht-Premium-Händlerklassifizierung wird genutzt, um strategisch wichtigen Vertriebspartnern bessere Preise zu geben als strategisch weniger wichtigen. Premium-Händler erhalten so durch die sehr guten Leistungen für Tool-Master nicht nur bessere Konditionen im Rahmen des Konditionssystems, sondern auch vollen Zugriff auf exklusive Premium-Produkte im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems. Nicht-Premium-Kunden haben entsprechend lediglich Zugriff auf eine begrenzte Produktpalette.

Im Fall von Tool-Master handelt es sich bei den strategisch wichtigen Partnern meist um den stationären Fachhandel, da dieser eine zentrale Rolle in der Customer Journey einnimmt (Information, Beratung, etc.).

In jedem Fall gilt es die definierten Kriterien zu hinterfragen:

  • Ist das Kriterium wichtig für die Differenzierung der Preislevel?
  • Schafft die dahinterstehende Leistung einen Mehrwert für den Endkunden?
  • Ist das Kriterium geeignet für eine Verhandlung mit dem Kunden?

Die Klassifizierung der Vertriebspartner anhand der Kriterien hat die differenzierte Vergabe von unterschiedlichen Rabatten zur Folge.

Entwicklung des Konditionensystems

Hierfür ist es essenziell sich die Pfeiler eines leistungsorientierten und Multi-Channel-fähigen Konditionensystems vor Augen zu führen: Interne Transparenz, Konsistenz der Konditionengestaltung, nachhaltige Ertragssicherung und Anreizwirkung.

Abb. 2: Ziele des Konditionensystems

Transparenz

In der Bestandsaufnahme werden alle Konditionenelemente erfasst und analysiert, die zu Erlösschmälerungen führen. Die Art der Konditionen, sowie die Höhe werden kanal- und länderspezifisch erfasst. Hier muss ein klarer Anspruch an Transparenz herrschen. In der Praxis sind beispielsweise Vereinbarungen zu Jahresboni häufig nicht systematisch in ERP-Systemen abgebildet und nur durch großen manuellen Aufwand zu kontrollieren. Diesen Anspruch auf Transparenz gilt es auch mit Blick auf die Kommunikation der neuen Konditionen an den Kunden, zu wahren. Für die Akzeptanz und die Anreizwirkung des neuen Konditionensystem muss der Kunde verstehen, wie sich seine Konditionen zusammensetzen und welche Leistungen erbracht werden sollen.

 

 

Konsistenz der Konditionengestaltung

Tool-Master hat die Aufgabe, die Konditionengestaltung auch über Ländergrenzen hinweg zu koordinieren, Konditionenelemente müssen hierfür konsistent sein. Im Fall von stark unterschiedlichen Konditionen zwischen den Ländern, forderten Einkäufer globaler Unternehmen fehlende Elemente aus anderen Ländern nach. Die Logik der Konditionenelemente sollte daher weitestgehend einheitlich sein. Gleichzeitig ist es nicht notwendig die Höhe der Konditionen über alle Länder hinweg anzugleichen, mit variierenden Listenpreisen und Rabatterwartungen in dem jeweiligen Land kann auch das Rabattniveau variieren. Trotzdem gilt es die Anzahl der Konditionen auf ein Mindestmaß zu begrenzen, denn je größer die Anzahl der Konditionenelemente, desto schwieriger wird das Management dieser.

Nachhaltige Ertragssicherung

Das wichtigste Ziel des aktiven Konditionenmanagements ist die nachhaltige Ertragssicherung. Hierfür ist die Durchsetzung von Preisen unabdingbar, um die Zahlungsbereitschaft der Kunden möglichst vollständig abzuschöpfen. Im Falle von Tool-Master haben die fehlenden Mechanismen zur Ertragssicherung dazu geführt, dass Rabatte fortlaufend neuverhandelt wurden und Preise erodiert wurden. Einmal gewährte Rabatte sind in der Regel sehr schwer zurückzuführen.

Anreizwirkung

Ein leistungsorientiertes Konditionensystem basiert auf dem Prinzip der „Leistung für Gegenleistung“. Zentrales Element der Konditionsgestaltung ist daher die Anreizsetzung, sodass die Gewährung von Konditionen mit einem bestimmten Verhalten der Kunden verknüpft werden.

Neben der Entwicklung der einzelnen Konditionenelemente, sowie der Simulation und Kalibrierung des Konditionensystems, erfordert erfolgreiches Konditionenmanagement auch die Definition von klaren Regeln und die fortlaufende Prüfung. Auf diese Weise kann Tool-Master sicherstellen, dass das Konditionensystem beherrschbar und kontrollierbar bleibt. Zusätzlich zu den genannten regelbasierten Konditionen ist es häufig ratsam Übergangskonditionen einzuführen. Diese sind nur für einen begrenzten Zeitraum gültig, federn negative Effekte ab und unterstützen den Übergang von dem alten, historisch gewachsenen Konditionensystem zu dem neuen System. Beachten Sie, dass Übergangsrabatte systematisch abgebaut werden müssen. Auch deshalb gilt es, eine mindestens jährliche Prüfung aller bestehenden Konditionen zu etablieren.

Vertikal-GVO und selektives Vertriebssystem

Kanalkonflikte preislicher Art sind nur über ein systematisches Konditionensystem lösbar. Zusätzlich ermöglicht die Vertikal-GVO die Lösung von Kanalkonflikten qualitativer Art. (Lesen Sie mehr zum Thema im Gastbeitrag von Rechtsanwalt Markus Nessler.)

Die für vertikale Beschränkungen („Vertikal-GVO“) ist eine europäische Verordnung, welche Vereinbarungen zwischen Unternehmen von dem Kartellverbot ausnimmt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören selektive Vertriebssysteme, in denen sich der Hersteller verpflichtet, die Vertragsprodukte nur an Händler zu verkaufen, die sich anhand festgelegter Kriterien qualifizieren. Im Fall von Tool-Master wurde mittels eines selektiven Vertriebsvertrags differenziert, welche Kunden Zugriff auf die gesamte Tool-Master-Produktpalette erhalten. Die stationären Händler, die mittels Ihrer Leistungen als Selektiv-Händler gelten, können sich so von den nicht-selektiven Online-Playern abgrenzen. Das bedeutet, Tool-Master kann seinen stationären Handelspartnern den exklusiven Verkauf bestimmter Produkte garantieren und somit das Risiko von Parallelimporten und Margenerosion verringern.

Projektergebnis

Mittels der systematischen Definition der Konditionenelemente und der Simulation der Effekte des neuen Systems je Land und Kanal, wurde die Implementierung mittels des Tool-Master-Vertriebsteams durchgeführt: Nach einer einjährigen Übergangsfrist, in der teilweise Übergangsrabatte zur Abfederung von Änderungseffekten gewährt wurden, konnten die durchschnittlichen Rabatte und Boni deutlich zurückgeführt werden, ohne dass die Absatzmengen signifikant abgesunken sind. Im Gegenteil: Dank der Stärkung des traditionellen Fachhandels wurden nicht nur mehr Elektrowerkzeuge offline verkauft. Durch die Informationsfunktion der stationären Händler innerhalb des Customer Journeys wurde auch der Absatz über Online-Kanäle leicht gesteigert. Das Ergebnis war eine deutliche Ertragssteigerung.

Hiermit endet unsere Reihe über den Elektrowerkzeughersteller Tool-Master mit einigen exklusiven Einblicken in unseren Beratungsalltag. Dies ist aber nicht das Ende von „Best of Roll & Pastuch“. Gerne laden wir Sie ein, bald einen weiteren unserer Kunden mit seinen aktuellen Herausforderungen in Vertrieb und Pricing kennenzulernen.

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Gregor Buchwald von Roll & Pastuch
Autor

Gregor Buchwald

Managing Partner
Christoph Krauss von Roll & Pastuch
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Christoph Krauss

Senior Director
Jan Kürzel
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Jan Kürzel

Consultant