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Best Practice Teil 2: Entwicklung einer internationalen Preis- und Vertriebskanalstrategie

Tool-Master ist ein mittelständischer Hersteller von Elektrowerkzeugen, der seine Produkte traditionell über den Fachhandel verkauft, aber in den letzten Jahren opportunistisch auch in den Online-Markt eingestiegen ist. Durch die damit einhergehende Preiserosion stand das Unternehmen in seinem Heimatmarkt massiv unter Druck.


Ausgangssituation beim Elektrowerkzeug-Hersteller Tool-Master

  • Starkes Wachstum im Online-Kanal: Rasante Entwicklung der Marktplätze, Online-Shops und -portale, wie Amazon, ManoMano und Contorion
  • Große Bedeutung des stationären Handels in der Customer Journey, trotz starkem Umsatzrückgang
  • Fehlende globale Preisstrategie: Große internationale Preisunterschiede (bis zu 40 Prozent)
  • Historisch gewachsene Rabatte und Konditionen: Große Unterschiede in den Einkaufspreisen zwischen den Händlern
  • Kein leistungsgerechtes und Multi-Channel-fähiges Konditionensystem: Fehlende Kanalsteuerung und Kannibalisierung der Vertriebskanäle

 

Vor diesem Hintergrund wurde Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants beauftragt, eine internationale Preis- und Vertriebskanalstrategie zu entwickeln. Zur Umsetzung wurde ein leistungsorientiertes Konditionensystem eingeführt, das je Land und Vertriebskanal differenziert wurde. Juristisch abgesichert wurde das neue System durch die Überarbeitung der Händler- und Distributorenverträge, die die Novellierung der Vertikal-GVO ausschöpft.

Nach der Analysephase in Teil 1 beschreiben wir nun die Entwicklung und Umsetzung der internationalen Preis- und Vertriebskanalstrategie.

Entwicklung einer internationalen Preis- und Vertriebskanalstrategie als Lösung

Zu Beginn der Strategie-Definition sind folgende Kernfragen zu beantworten, um die strategische Richtung vorzugeben und damit eine erfolgreiche Vertriebskanalstrategie zu entwickeln:

  1. Wie attraktiv sind die einzelnen Länder? Welches Marktvolumen, -wachstum oder etabliertes Preisniveau haben sie beispielsweise?
  2. Welche Ziele lassen sich für die einzelnen Länder pro Produktkategorien ableiten? Welchen Marktanteil oder welche Zielmargen werden zum Beispiel angestrebt?
  3. Welches sind die wichtigsten Kundensegmente mit größtem Potential für die Zukunft?
  4. Durch welche Touchpoints lässt sich die Customer Journey der Top-Kundensegmente beschreiben und über welche On- und Offline-Vertriebskanäle lassen sich diese erreichen?

Es ist zu beachten, dass eine Vertriebskanalstrategie unter Umständen nicht jeden Kunden zufriedenstellen kann. Zusammen mit Tool-Master wurde daher untersucht, welche Regionen und Kundensegmente für das Unternehmen besonders relevant sind und welche nicht. Aus dieser Überlegung heraus wurde abgeleitet, welche Vertriebskanäle idealerweise genutzt werden sollten, um diese Kundengruppen in Zukunft mit den richtigen Produkten zu bedienen. Wie die Analyse zeigte, war eine Stärkung des Fachhandels nötig. Dieser stellte eine zentrale Rolle in der Customer Journey von Tool-Masters Kunden dar. Ohne physische Produkte im Regal blieb auch ein Online-Preisvergleich sowie der Kauf im Netz aus.

Definition der unterschiedlichen Kanäle

Die Unterscheidung zwischen Offline- und Online-Kanal ist aufgrund der verschiedenen Kostenstrukturen von großer Bedeutung und erfordert eine Differenzierung der Nettopreise. Darüber hinaus ist es wichtig zu unterscheiden, welche Produkte für welchen Kanal geeignet sind (Offline- versus Online-Sortiment) und wie sich diese voneinander abgrenzen lassen.

Für jeden Vertriebskanal von Tool-Master wurden klare Ziele formuliert und in entsprechende KPIs übersetzt, um ein vertriebskanalübergreifendes Preis- und Konditionensystem abzuleiten. Die Zielsetzungen für unterschiedliche Vertriebskanäle können konkurrierend sein und dienen als Basis für ein konsistentes Preissystem. Um in strategisch wichtigen Kanälen Marktanteile zu gewinnen, verzichtete Tool-Master bewusst auf einen Teil der Margen. Dies wurde durch die Anwendung eines Zielmargensystems gestützt. Andere Kanäle wurden dann genutzt, um die Rentabilität der Produktgruppe sowie des Unternehmens zu gewährleisten. In diesen Fällen ist es jedoch essenziell, bei der folgenden preislichen Ausrichtung der Kanäle entsprechende Abhängigkeiten zu berücksichtigen, um Kannibalisierungseffekte zu vermeiden. Folglich wurden mittels einer differenzierten Marken- und Sortimentsstrategie Online- beziehungsweise Offline-Produkte von Tool-Master getrennt. Zuvor wurden Online-Händler und ihre stationären Konkurrenten mit den gleichen Produkten und Marken bedient, was eine Verstärkung der Negativ-Preisspirale zur Folge hatte. Der Fachhandel vertreibt nun die Tool-Master Standard-Linie, während die Online-Akteure Zugriff auf eine einfachere, preisgünstigere Produktlinie haben.

Einführungs- und Testphase

In der Einführungs- und Testphase neuer Vertriebswege wurde die Anzahl der Produkte begrenzt und die Reaktionen der traditionellen Handelspartner von Tool-Master verfolgt, ehe weitere Ausbaustufen implementiert wurden. Bevor neue Vertriebskanäle eingeführt werden, empfiehlt es sich, eine internationale Analyse der Preis- und Konditionenlandschaft durchzuführen, um mögliche Preisunterschiede zu vermeiden. Um das Preis- und Konditionensystem des Elektrowerkzeug-Herstellers Tool-Master anzupassen, wurden bestehende Rabatte, Boni und Sonderpreise auf Kundenebene überprüft. Eine erfolgreiche Kundenbeziehung sollte auf dem Prinzip des Leistungsaustauschs basieren. Bei der Entwicklung des neuen Preis- und Konditionensystems wurden daher die Kernelemente auf die spezifischen Funktionen jedes Vertriebskanals abgestimmt und historisch gewachsene Konditionen leistungsgerecht bereinigt, um die großen Unterschiede der Einkaufspreise zwischen den Händlern zu eliminieren.

Es ist von entscheidender Bedeutung, die Vertriebs- und Preisstrategie klar zu definieren, da dies die Basis für alle folgenden Entscheidungen bildet. Neben den eigenen Zielen sollte auch immer die Perspektive des Kunden berücksichtigt werden (Stichwort: „Customer Centricity“). Insbesondere im Hinblick auf die heutigen digitalen Gegebenheiten und die wachsende Bedeutung von „Digital Natives“ wurde gründlich untersucht, wie Tool-Master-Kunden heute und zukünftig bestellen möchten.

Merkzettel für den Multi-Channel-Erfolg

 

  1. Neuausrichtung und Erweiterung der Vertriebskanalstrategie:
    Jedes Unternehmen hat spezifische Kundenanforderungen und Produkte, die bei der Ausgestaltung des Kanal-Mixes berücksichtigt werden müssen. Um erfolgreich zu sein, müssen die traditionellen und digitalen Vertriebskanäle sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Es ist ratsam, die Einführung beziehungsweise den Test neuer digitaler Vertriebswege mit einer begrenzten Produktpalette durchzuführen und die Reaktionen der traditionellen Handelspartner genau zu beobachten, bevor die nächste Ausbaustufe durchgesetzt wird. Grundsätzlich kann es ratsam sein, ein Online- und Offline-Segment Produktsortiment zu definieren, um beispielsweise die traditionellen Kanäle zu stärken und die Kannibalisierung der Vertriebswäge zu reduzieren.
  2. Einbindung der Kanalstrategie in die internationale Preisstrategie:
    Bevor neue Vertriebskanäle online gehen, sollte die Preis- und Konditionenlandschaft auf internationaler Ebene analysiert werden, um hohe Preisunterschiede zu eliminieren. Grundsätzlich gilt, dass große Online-Player wie Amazon & Co. bei der internationalen Preisoptimierung wie ein Land zu behandeln sind, da Parallelimporte und Graumärkte nicht nur zwischen Hoch- und Niedrigpreisländern entstehen, sondern auch durch große Online-Player getriggert werden.
  3. Überwindung historisch gewachsener Konditionen und Rabatte:
    Um das Preis- und Konditionensystem anzupassen, müssen historisch gewachsene Rabatte, Boni und Sonderpreise auf Kundenebene beendet werden. Die Kundenbeziehung sollte auf dem Leistungsprinzip „Gibst du mir etwas, lieber Kunde, gebe ich dir etwas“ basieren. Im Hinblick auf die Vertriebskanäle müssen die Kernelemente des neuen Preis- und Konditionensystems auf die Zielsetzung des jeweiligen Kanals abgestimmt werden. Hier muss klar sein, was von dem jeweiligen Vertriebsweg gefordert wird, und wo der Nutzen für der Endkunden entsteht. Weiter ist entscheidend, wie man die einzelnen Kanäle aufgrund ihrer unterschiedlichen Kostensituation margenseitig austariert. Wenn Online-Pure-Player die gleiche Marge zur Verfügung gestellt wird wie Brick & Mortar Händlern, dann darf es einem nicht wundern, dass der traditionelle Kanal im Preiswettbewerb nicht bestehen kann.

Die Novellierung der Vertikal-GVO

Ist die internationale Vertriebskanalstrategie an den Unternehmenszielen ausgerichtet, die Brutto- und Nettopreisabstände zwischen den Ländern und Kanälen definiert und die Neuausrichtung des Rabatt- und Konditionensystem leistungsorientiert, kommt ein weiteres Element zur Absicherung dieser globalen Vertriebs- und Preisstrategie zum Tragen: Die Vertikal-GVO und deren Novellierung zum Thema selektiver Vertriebsvertrag.

Die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Beschränkungen („Vertikal-GVO“) ist eine europäische Verordnung, welche Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die auf verschiedenen Ebenen der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind, von dem Kartellverbot (Art. 101 Absatz 1 AEUV) ausnimmt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Selektive Vertriebssysteme sind gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. h) Vertikal-GVO-E solche Vertriebssysteme, in denen sich der Hersteller verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden. Zusätzlich verpflichten sich diese Händler, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Hersteller für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind. Die vom Hersteller für die Auswahl der Händler angewandten Kriterien können qualitativer oder quantitativer Art sein. Das bedeutet, der Hersteller kann seinen Handelspartnern den Verkauf in andere Vertriebskanäle untersagen und somit das Risiko von Parallelimporten und Margenerosion verringern.

Im dritten Teil dieser „Best of Roll & Pastuch“-Reihe werden wir auf die Konzeptionierung und Umsetzung eines globalen Rabatt- und Konditionensystems eingehen, welches den Online- und stationären Vertriebskanal preislich und produktseitig differenziert. Außerdem wird dargestellt, wie die Reduktion der Preiserosion von Märkten und Kanälen mittels der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Beschränkungen („Vertikal-GVO“) unterstützt wurde.

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R&P unterstützt mit einer konkreten Vertriebsstrategie eine Verbindung vom Status quo zu Ihren anvisierten Vertriebszielen herzustellen.
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Gregor Buchwald von Roll & Pastuch
Autor

Gregor Buchwald

Managing Partner
Jan Kürzel
Autor

Jan Kürzel

Consultant