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Peer-Pricing: Mit Künstlicher Intelligenz zu besseren Angebotspreisen

Der „richtige“ Preis für ein Angebot entscheidet maßgeblich über den Vertriebserfolg. Peer-Pricing ist eine Methode der Künstlichen Intelligenz, das automatisch gelerntes Preiswissen in bessere und konsistente Preise umsetzt. Lesen Sie mehr im neuen Blogbeitrag.

Roll und Pastuch zu Peer Pricing

In vielen Unternehmen werden jährlich tausende individuelle Angebotspreise für Kunden kalkuliert. Es bietet sich an, aus diesem Erfahrungsschatz wertvolles Preiswissen für den Vertrieb abzuleiten. Peer-Pricing stellt dafür eine gute Lösung dar und eignet sich besonders für das Preismanagement in Industrien, in denen Preise historisch sehr stark nach Markt und Branche des Kunden differenziert werden.

Regelbasiertes versus gelerntes Pricing

Der Preis, mit dem einem Kunden ein Angebot gemacht wird, kann durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt sein. Neben technischen Faktoren, wie die Art des Produkts oder die Leistung, sind es vor allem der Markt (die Zielbranche, der Type des Kunden und die Region) sowie vielfältige Auftragsfaktoren, die der Vertrieb bei der Preissetzung beachtet.

Regelbasiertes Pricing

In den letzten Jahren haben sich regelbasierte Preiskalkulatoren, sogenannte Zielpreissysteme, als Unterstützung für den Vertrieb durchgesetzt. Hierbei wird ein Preis oder eine erlaubte Preisspanne durch Regeln definiert – der Vertrieb hat relativ zu diesem Zielpreis einen gewissen Spielraum. Jenseits dieses Spielraums greifen aber Eskalationsregeln, sodass die Preissetzung effektiv reguliert wird.

Zielpreissysteme können sehr gut dort eingesetzt werden, wo differenzierte Preissetzung erwünscht ist, diese aber nur in begrenztem Umfang erfolgen soll. Neben konkreten Zielpreisen werden Zielpreissysteme auch zur regelbasierten Definition maximaler Rabattspielräume verwendet.

In einigen Industrien haben sich historisch sehr unterschiedliche Preisniveaus in verschiedenen Marktsegmenten eingespielt. Der Vertrieb muss hier stark auf langjähriges Erfahrungswissen und Feingefühl zurückgreifen. Die mitunter chaotisch differenzierten Preise unterscheiden sich deutlich von den durch Regeln vorgegebenen Preisen mit Maximalrabatten. Klassische Zielpreissysteme können hier oft keine guten Vorgaben machen – eine handhabbare Zahl von Regeln sind meist zu starr und zu wenig ausdifferenziert, um die vielen Ausnahmen in der Praxis gut abzubilden.

Gelerntes Pricing

Eine Alternative zu Regelsystemen sind selbstlernende Systeme, die aus den abgegebenen Angeboten bzw. den realisierten Aufträgen Erfahrungswissen extrahieren und dem Vertrieb als Entscheidungshilfe zur Verfügung stellen. Peer-Pricing verwendet Methoden aus dem maschinellen Lernen – der Computer wird nicht expliziert programmiert, sondern leitet die für die Aufgabe notwendigen Kenntnisse aus den verfügbaren Daten selbständig ab. Im Gegensatz zu regelbasierten Zielpreissystemen erfasst ein lernendes System auch vielfältige Ausnahmen.

Ein Fallbeispiel: Zielrabatte für elektronische Komponenten

Für einen Hersteller elektronischer Komponenten sollen sowohl maximale Rabatte für Angebote als auch Vorschläge für einen Zielrabatt pro Angebot gefunden werden. Maximale Rabatte können durch Regeln gut definiert werden – das Unternehmen hat pro Produktkategorie hier klare Vorgaben. Bei den in den Aufträgen realisierten Preisen sind Regeln dagegen nicht ausreichend – pro Produkt können sich die vergebenen Rabatte um bis zu 50 Prozentpunkte unterscheiden.

Ein Angebot umfasst meist nicht ein einziges Produkt, sondern eine ganze Auswahl. Durch Datenanalyse konnten wir feststellen, dass die Größe einer solchen Opportunity eine große Rolle bei der Höhe der gegebenen Rabatte spielt. Zudem sind die Region des Zielkunden, die Art des Kunden und dessen Branche wichtig, um verschiedene Rabattniveaus zu erklären.

Entscheidend für den Praxiseinsatz eines Peer-Pricings war eine Erklärungskomponente: Die Empfehlungen des Systems sollten immer begründet werden. Der Vertrieb soll also verstehen, wie eine Rabattempfehlung zustande kommt (und warum eher hohe Rabatte nicht nötig sind).

Das Ziel des Peer-Pricings ist also eine erhöhte Transparenz: Jeder im Vertrieb soll sehen, wie Kollegen in ähnlichen Fällen Rabatte vergeben haben. Die durch das Peer-Pricing ermittelten Vorschläge vermeiden Extremfälle, sie stellen einen Durchschnitt bei erfolgreichen Angeboten dar.

Roll und Pastuch zu Peer Pricing Symbolbild

Peer-Pricing durch k-Nächste-Nachbarn

Peer-Pricing verfolgt die Idee, aus ähnlichen Angeboten Preisvorschläge abzuleiten. Im maschinellen Lernen existieren viele sehr gute Lernverfahren, die sich für das Ermitteln solcher Vorschläge eignen, aber als „Black-Box“-Methoden kaum Informationen zur getroffenen Entscheidung liefern. Gesucht war für unseren Kunden ein Verfahren, welches Vorschläge gut erklärt.

K-Nächste-Nachbarn (KNN) ist ein einfaches maschinelles Lernverfahren, das zu einem zu einem gegebenen Angebot in einer Datenbank ähnliche Fälle (d.h. Angebotspreise zu bereits erfolgreich realisierten Aufträgen) identifiziert. Die Aufträge der Datenbank werden dabei mathematisch als Punkte dargestellt, deren Abstand zueinander das jeweilige Maß an Ähnlichkeit bestimmt. Dabei haben bestimmte Informationen ein höheres Gewicht als andere – so haben spezifische technische Daten des Produktes meist weniger Einfluss auf den Rabatt wie die Auftrags- und Marktdaten. Aus den ähnlichsten Datenpunkten kann ein Vorschlagsrabatt bzw. Preis ermittelt werden – etwa aus dem Durchschnitt oder Median der Nachbar-Angebote.

Der Vorteil von KNN gegenüber anderen Methoden des maschinellen Lernens ist die eingebaute Erklärungskomponente: Durch die verwendeten k Nachbarn kann der Vertrieb nachvollziehen, wie der Vorschlagsrabatt ermittelt wurde. Das Verfahren arbeitet daher wie ein Suchassistent für den Vertrieb. Tatsächlich imitiert die Methode das Verhalten einiger erfahrender Mitarbeiter des Kunden, die sich für Angebotspreise von unbekannten Produkten oft selbst (und sehr mühsam) Vergleichsangebote aus dem CRM herausgesucht hatten.

Ergebnisse

Die Umsetzung des Peer-Pricings soll im CRM-System des Kunden erfolgen. Das System muss dabei dynamisch neue Daten erfassen – ein regelmäßiger Austausch der Daten soll die Preisvorschläge aktuell halten.

KNN eignet sich wie kaum ein anderes Verfahren des maschinellen Lernens für eine Umsetzung in einem herkömmlichen Informationssystem wie zum Beispiel einem CRM. Die benötigten Daten können einfach als Tabelle aus den sowieso im System verfügbaren Auftragsdaten generiert werden. Die Berechnung der Ähnlichkeit eines Angebots zu den Daten der Auftragsdatenbank wird dagegen durch performante SQL- oder MDX-Anfragen realisiert.

Zur Bewertung des Verfahrens haben wir Kundendaten aus europäischen Ländern verwendet (Zehntausende Transaktionszeilen). Wichtig für KNN ist eine Datenbereinigung – die Datenbank sollte keine oder zumindest sehr wenige Extremfälle und falsche Angaben enthalten.

Die Qualität des Verfahrens wurde durch eine Aufteilung der Daten in Test- und Kontrollmenge gemessen. KNN konnte bei unserem Kunden eine Genauigkeit von ca. fünf Prozent mittlere absoluter Abweichung (MAE) vom tatsächlichen Rabatt erzielen. Für den praktischen Einsatz als Unterstützung des Vertriebs ist dies mehr als ausreichend. Tatsächlich ist die zu erwartende Abweichung zwischen menschlichen Vertrieblern kaum kleiner als die hier erreichte Genauigkeit.

Zur Kontrolle unseres Ergebnisses wurden die gleichen Daten durch ein weiteres, sehr leistungsfähiges KI-Lernverfahren getestet. Random Forests (RF) erreicht fünf Prozent Genauigkeit und ist damit zwar etwas genauer als KNN, kann aber das Ergebnis nicht durch Beispiele belegen bzw. erläutern.

Die Umsetzung in das CRM-System des Kunden findet derzeit statt (Stand Q4/2021). Im laufenden Betrieb ab Q1/2022 soll die Auftragsdatenbank quartalsweise durch neue Daten aktualisiert werden.

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Karsten Konrad von Roll & Pastuch
Autor

Dr. Karsten Konrad

Senior Director Data Science

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