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Best Practice Teil II: Route to Market – Von der Theorie in die Praxis

XMed ist ein global führendes Medizintechnik-Unternehmen in den Bereichen Homecare und Pflegeprodukte und hat die Absicht, eine Produktrevision in den deutschen Markt einzuführen. Dieses Vorhaben hatte bei vorläufigen Produkten nicht die gesteckten Erwartungen und Ziele erfüllt. Inzwischen steht XMed veränderten Bedingungen gegenüber und möchte nun mit der Produktrevision den Markt effektiv durchdringen.

Mit diesem Anliegen kam XMed zu Roll & Pastuch. So wurde R&P mit dem Ziel betraut, eine disruptive Go-to-Market (GTM)-Strategie zu entwickeln. Im ersten Teil dieser Reihe hatten wir bereits die theoretische Basis gelegt und die zwölf Schritte des Go-to-Market-Frameworks präsentiert: Nachdem die grundlegende Positionierungs- und Pricing-Strategie klar herausgearbeitet und die Route to Market definiert worden ist, kann das Operating Model abgeleitet werden.

In diesem Teil übertragen wir nun das Framework in die Praxis und fokussieren uns dabei vor allem auf die Route to Market, bestehend aus den vier Pfeilern Zielkunden, Vertriebsmodell, Kommunikationsmix und Roadmap.

Best Practice Teil II: Route to Market – Von der Theorie in die Praxis

Das Go-to-Market-Framework

Status-quo-Check und Strategieherleitung

Nach Startschuss des Projekts wurde als erstes der Status-quo im Unternehmen XMed überprüft, um die GTM-Strategie auf einer stabilen Grundlage aufzubauen. Dazu wurden zunächst alle notwendigen Informationen rund um das neue Produkt aufgenommen, indem Daten und Dokumente gesammelt sowie interne Interviews rund um das neue Produkt und die Marktgegebenheiten geführt wurden.

Die Fülle an Informationen wurde dann anhand des „6-P-Analyse-Frameworks“ gezielt zusammengetragen, strukturiert aufbereitet und detailliert analysiert, sodass daraus alle für die GTM-Planung notwendigen Erkenntnisse abgeleitet werden konnten.

  1. „Patient“: Zunächst galt es, eine Analyse der verschiedenen Segmente durchzuführen, um zu verstehen, wie sich die Zielgruppe aufgliedert. Zentral betrachtet wurden hierfür die Patientengruppen bzw. Indikationen, die adressiert werden sollten, und welche Eigenheiten und Bedarfe diese vorweisen.
  2. „Process“: Im nächsten Schritt stand die Betrachtung der Patient-Journeys im Fokus. Es wurde der Weg der Patienten von der ersten Informationssuche, über die Diagnose, hin zur Therapie und zur regelmäßigen Nachkontrolle untersucht. Hier galt es auch zu klären, entlang welcher Stationen (Arztpraxen, Hospitäler, Kliniken) welche Ärzte bzw. weitere Healthcare-Professionals, wie Therapeuten und Pflegedienste, frequentiert werden.
  3. „Physician“: Danach wurde analysiert, wie wichtig die Healthcare-Professionals für die Platzierung des neuen Produkts sind. Beispielsweise sind Allgemeinmediziner und Internisten häufig wichtig für eine erste Diagnose und Therapie von einfacheren Krankheitsbildern. Bei komplexeren Erkrankungen werden wiederum andere Spezialisten benötigt.
  4. „Promotion“: Weiterhin galt es zu prüfen, wie zentrale Ärztegruppen und Fachverbände durch Meinungsbildner (wie zum Beispiel meinungsvorgebende, publikationsstarke Professoren, Fachmedien oder Leitlinien) beeinflusst werden und ob diese in das Marketingkonzept einzubeziehen sind.
  5. „Place“: Im Anschluss wurden die Kanäle (z. B. Direktvertrieb oder digitale Vertriebswege) betrachtet. Es wurde untersucht, welche der Kanäle wichtig für eine gezielte Informationsversorgung der Patienten, Ärzte und anderen Healthcare-Professionals sowie weiteren involvierten Meinungsbeinflussern (wie Familien der Patienten) sind. Weiter war die Frage zu beantworten, welche Kanäle sich als zentral für den Bezug des Produktes erweisen. Hier kamen unter anderem Apotheken, Sanitätshäuser und Versorgungsdienstleister infrage. Im gleichen Zuge ergab sich die Überlegung, Letztere nicht nur für die Distribution des Produktes einzuplanen, sondern auch bei gezielten Marketingmaßnahmen zu berücksichtigen.
  6. „Product“: Abschließend galt es noch zu klären, welche generellen und welche einzigartigen Vorteile das Produkt gegenüber den bisherigen Möglichkeiten und Alternativprodukten im Markt bietet. Diese Vor- und Nachteile mussten entsprechend in eine gezielte Kunden- und Adressatenkommunikation eingeflochten werden.

Vervollständigung der Informationsbasis

Nach der ersten Bestandsaufnahme über das 6-P-Framework zeigten sich schnell noch vorhandene Informationslücken für die GTM-Planung. Um diese Lücken zu schließen, wurden Gespräche mit Marktentscheidern durchgeführt.

Dies beinhaltete unter anderem die Befragung von internen Experten des Zielmarktes von XMed (Mediziner, Personen im Pflegebereich, aber auch Vertriebler etc.), um deren Erfahrungen und Meinungen bei der Entwicklung der neuen Produktstrategie zu berücksichtigen. Zusätzlich wurden externe Stakeholder verschiedener Marktsegmente interviewt. Die Gespräche wurden unter anderem mit Patienten und deren Angehörigen, Vertriebspartnern (z. B. Apotheken und Sanitätshäusern) sowie Meinungsbildnern (z. B. Verbänden) und weiteren externe Marktexperten geführt. Zusätzlich wurde eine Online-Befragung implementiert, um die Forschungsergebnisse zu verifizieren und Präferenzen auf breiter Ebene zu quantifizieren.

Informationen in eine Strategie umwandeln

Auf Grundlage dieser breiten Informationsbasis konnte dann die Strategie zur Markteinführung des neuen Produktes abgeleitet werden und das Budget, die personellen Mittel sowie die zeitlichen Rahmenbedingungen gezielt festgelegt werden. Darauf aufbauend konnte dann die Route to Market gezeichnet werden.

Route to Market

Zielkunden

Innerhalb der zuvor identifizierten Zielpatienten wurden dafür zunächst die Zielkunden herausgearbeitet und mittels Ratingkriterien (Produktnutzungsbedarf, Produktpassung, Wettbewerbsvorteile, Anzahl von Patiententypen) priorisiert, indem ihre Potenziale und der Fit zum neuen Produkt evaluiert wurden. So konnten für die verschiedenen Zielpatiententypen Patient- und Decision Journeys abgeleitet werden, um die zentralen Ansatzpunkte für die Kommunikations- und Distributionsstrategie herauszuarbeiten. Beabsichtigt war, die Ansatzpunkte im Markt (Institutionen, Ärzte, Patienten und weitere Meinungsbildner) dadurch einzugrenzen und für die gezielte Bearbeitung besser zu verstehen.

Vertriebskanäle

Um daraus abgeleitet optimale Vertriebskanäle zu finden, wurde die bei XMed bereits bestehende Vertriebskanal-Übersicht entlang zuvor festgelegter Kriterien detailliert aktualisiert und evaluiert. Es wurde untersucht, wo (ob in Apotheken, Sanitätshäusern, bei Versorgern, durch Pflegedienste oder -heime oder den Onlinehandel) die vorher identifizierten Zielkunden die Dienstleistungen oder medizinischen Produkte beziehen. Je nach Mobilitätsgrad boten sich in diesem Fall vor allem die Apotheke und Sanitätshäuser für mobile Personen, sowie die Versorgungsdienste für nicht mehr mobile Personen an.

Kommunikationsmix

Um den optimalen Kommunikationsmix zu wählen, wurden dann die Kanäle pro Stakeholder priorisiert und verschiedene Szenarios in einem Modell verglichen. Hierbei wurden explizit die Ansprache der verschiedenen relevanten Akteure und Ansatzpunkte im Markt für die Kommunikation über Online- und Offline-Kanälen berücksichtigt. Sowohl für Patienten als auch für Ärzte und beratende Healthcare-Professionals in den Vertriebskanälen wurden separate Ansprache- und Wertargumentationskonzepte skizziert. Diese wurden über alle Kanäle hinweg synchronisiert.

Im Online-Bereich wurde unter anderem die Überarbeitung der Website und damit zusammenhängende Suchmaschinenoptimierung sowie Social Media- und Online-Advertising-Kampagnen vorgeschlagen. Offline wurden Kanäle wie Vertrieb, Messen, Konferenzen und Fachzeitschriften einbezogen. Gerade das Informationsmaterial, das durch den Vertrieb direkt an die Zielgruppen herangetragen wird, war hier ein wichtiger Punkt. In diesem Zuge wurde über eine Konkurrenzanalyse abgeglichen, in welcher Häufigkeit und Länge Vertriebsbesuche durchgeführt werden sollten. Alle Überlegungen, sowohl im Online- als auch im Offline-Bereich, wurden im Kommunikationsmix zusammengeführt.

Roadmap

Dann konnte zuletzt die GTM-Roadmap entlang der typischen W-Fragen (wer, wann, was, wie, wie lange, wieviel) entwickelt, definiert und niedergeschrieben werden. Damit verzahnt wurde ein Business Case zur Budgetierung von Zielen und notwendigen Investitionen (Vermarktungskosten, Aufbau Vertriebsressourcen, anvisierte Einnahmen und Erfolgs-KPIs) erstellt. Dieser Business Case wurde mit einem Marktmodell unterlegt, um Marktabdeckungsraten und Potenziale zu den Wachstumserfolgen abgleichen zu können.

Die notwendigen Strukturen schaffen

Aus der definierten Route-to-Market konnten nun noch die Anforderungen an das Operating Model abgeleitet werden: Die Organisation des Multi-Channel-Vertriebs und die Vertriebsgrößen wurden bestimmt und die notwendige Infrastruktur geklärt. Auch wurden verschiedene Arbeitspakete vor und nach dem Produktlaunch sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Unternehmensfunktionen (z.B. Marketing, Vertrieb, Market Access) festgelegt. Dieser konkrete Fahrplan war der Startschuss für die Realisierung der Roadmap.

Fazit und Lessons Learned

Alles in allem ist die Planung des Markteinstiegs eine komplexe Aufgabe – so auch bei unserem Kunden XMed. Mit der richtigen Strategie auf Basis eines tiefen Marktverständnisses und konkreten Maßnahmen konnte die Produkteinführung aber erfolgreich durchgeführt werden. Das Produkt ist derzeit im ersten Markttest.

Hiermit endet unsere Reihe mit XMed mit einigen exklusiven Einblicken in unseren Beratungsalltag. Dies ist aber nicht das Ende von „Best of Roll & Pastuch“. Gerne laden wir Sie ein, bald einen weiteren unserer Kunden mit seinen aktuellen Herausforderungen in Vertrieb und Pricing kennenzulernen.

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Dr. Michael Marquardt
Autor

Dr. Michael Marquardt

Partner
Laura Terstiege ist PR- und Content-Managerin von Roll & Pastuch
Autorin

Laura Terstiege

Senior PR & Marketing Managerin

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